Spuren jüdischen Lebens in Borghorst
Die Initiative Stolpersteine Steinfurt-Borghorst erinnert an die Schicksale jüdischer Mitbürger*innen und setzt sich für eine lebendige Erinnerungskultur ein.
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Die Synagoge Borghorst
In der Zeit des Nationalsozialismus sind die Borghorster Juden entweder vertrieben, deportiert oder ermordet
worden. Ihre Synagoge wurde in der Pogromnacht des 9. November 1938 von Brandstiftern zerstört. Die Feuerwehr löschte den Brand nicht, aber schützte die umliegenden Häuser. Seit 2010 machen Sandsteinplatten die Grundmauern der verlorenen Synagoge wieder sichtbar.
59 Jahre auf dem Dachboden versteckt, erhalten und bewahrt
Die Thora von Borghorst
1938 hat ein Augenzeuge Teile der verbrannten Thora sichergestellt und auf dem Dachboden seines Elternhauses deponiert. 1997 hat er sie der Jüdischen Gemeinde Münster übergeben – anonym. Sie sind dort dauerhaft ausgestellt.
Hier ruht ein [betagter] Mann, welcher nicht tat seinem Nächsten Böses. Der geehrte Herr Jissachar genannt Bär, Sohn des geehrten Herrn Chajim seligen Angedenkens. Er verschied am 21. Tischri 651 nach kleiner Zählung (= 05.10.1890) Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.
Villa Heimann
Mit seinen vier Kindern bewohnte das angesehene jüdische Ehepaar Frieda (*1894) und Albert (*1881) Heimann eine Gründerzeitvilla in Borghorst. Sie wurde 1938 geplündert, „arisiert“, kommunalisiert und 2014 ohne Not trotz massiver Widerstände abgerissen.
Ein Ziegelstein aber gelangte 2018 nach Toronto und erinnert ganz privat
Familienfoto und original Ziegelstein aus dem Besitz der Familie Heimann aus Toronto
Im Gehweg, beiderseits der sechs „Stolpersteine“ von Gunther Demnig, markieren etwa 100 Ziegelsteine aus der Abbruchmasse die Grundstücksgrenze und den Weg zum Bahnhof – in Erinnerung an Deportation und Tod.
Zerbrochene Grabsteinplatte auf dem Friedhof Borghorst
„Das verlorene
Denkmal“
ein mobiles Objekt von
Werner Bülter und Jupp Ernst
Dieses mobile Objekt mit dem Titel: „Die Villa Heimann – ein verlorenes Denkmal“ ist ein originaler Fensterrahmen aus der Abbruchmasse des 1889 erbauten Hauses der jüdischen Borghorster Familie Heimann, Bahnhofstraße 14 (heute: Anton-Wattendorff-Straße).
In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde das Haus geplündert, die Familie vertrieben: Die Kinder überlebten im Ausland. Die Eltern jedoch sind in Auschwitz ermordet worden.
Trotz großer Anstrengungen der Bürgerinitiative Stolpersteine musste die Villa dem Neubau einer Feuerwache an dieser Stelle weichen.
Zuvor hatte das Denkmalamt diesen authentischen Ort sozialgeschichtlich als erhaltenswert für Borghorst eingeschätzt. Die Mehrheit im Bauausschuss der Stadt Steinfurt war anderer Meinung.
Am 22. Juni 2014 wurde die Villa Heimann dem Erdboden gleichgemacht.
Abriss Villa Heimann
Villa Heimann –
ein verlorenes
Denkmal
Am 22.06.2014 wurde die Villa Heimann durch den Beschluss der Mehrheit im Bauausschuss der Stadt Steinfurt abgerissen. Sozialgeschichtlich war dieses Gebäude einzigartig und wichtig. Es gibt wohl kein zweites Haus in Borghorst, mit dem sich eine so dramatische und bedrückende Geschichte verbindet.
In dem 1889 erbauten Haus, Bahnhofstr. 14 (heute: Anton-Wattendorff-Straße) lebte die jüdische Borghorster Fam. Heimann. Ihre Villa wurde am 9.11.1938 in der Reichspogromnacht geplündert und 1939 von den Nationalsozialisten >arisiert<. Die Familie wurde vertrieben, die Eltern in Auschwitz ermordet, die 4 Kinder überlebten im Ausland.
Die Gemeinde Borghorst nutzte das quasi enteignete Haus auch nach dem Krieg weiterhin für verschiedene Ämter und lehnte die von der Familie Heimann 1950 beantragte Rückgabe ihrer Immobilie wegen Eigenbedarfs ab, bevor sie der gegenüber liegenden Weberei A.Wattendorff ein Vorkaufsrecht (1952) gewährte. 1955 übernahm die Weberei das Gebäude.
1988 ging die Firma in Konkurs. Wie die Fabrikgebäude wurde auch die Villa Heimann als Teil der Konkursmasse mehr und mehr dem Verfall preisgegeben und 2014 dem Erdboden gleichgemacht. Ab 1998 war die Villa Heimann wieder im Besitz der Stadt Steinfurt. Die Initiative Stolpersteine hatte immer die Verpflichtung gesehen, dieses Haus zu erhalten, um an die Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung unseres Ortes zu erinnern. Die Integration der Fassaden der Villa in den geplanten Neubau der Feuerwache wäre nicht nur eine baugeschichtliche Bereicherung gewesen, sondern auch ein authentischer Ort des Erinnerns geworden.
Die Mehrkosten für den Fassadenerhalt waren durch Spenden und Bürgschaften aus der Bevölkerung finanziell gesichert. Weder die Bitten der Nachkommen des ermordeten Ehepaars Heimann noch die Appelle der Jüdischen Gemeinden fanden Gehör. Mit dem Abrissbeschluss wurde konstruktives Bürgerengagement für Solidarität mit den Opfern abgewiesen. Für sie und für alle, die ein ähnliches Schicksal erleiden mussten, gibt die zentrale Bildtafel die Zuschrift eines Unterzeichners der Online-Petition zur Rettung des Denkmals wieder:
„Wir können das Unrecht nicht wieder gutmachen, aber wenn wir die Erinnerung daran ebenfalls auslöschen machen wir uns erneut schuldig.“
Dietmar Richter
Namen der Borghorster jüdischen Bürgerinnen und Bürger des Jahres 1939
Cohen, Herta
Cohen, Richard
Eichenwald, Anni
Eichenwald, Else
Eichenwald, Dr. Ernst
Eichenwald, Grete
Eichenwald, Karl
Eichenwald, Rosa
Eichenwald, Ruth
Eichenwald, Siegmund
Gumprich, Alfred
Gumprich, Bertha
Gumprich, Else
Gumprich, Emil
Gumprich, Gisela
Gumprich, Julius
Gumprich, Manfred
Heimann, Albert
Heimann, Antonia Bertha
Heimann, Elsbeth
Heimann, Frieda
Heimann, Ottilie
Heimann, Wilhelm Otto
Hertz, Günther
Hertz, Jenny
Hertz, Lore
Hertz, Norbert
Hertz, Moritz
Hertz, Rudolf
Hertz, Salomon
Hertz, Sidonie
Loewenstein, Hans
Loewenstein, Marianne
Loewenstein, Martha
Loewenstein, Moritz
Loewenstein, Siegfried
Simon, Erna
Simon, Leopold
Portrait-Collage Borghorster
jüdische Bürgerinnen und
Bürger 1
Initiative Stolpersteine Steinfurt-Borghorst
Fotonachweis: Bild 1: Alfred Homann, 1938, Foto im Archiv des Heimatvereins Borghorst; Bild 2: Willi Ahlmer, 2014, im Auftrag der Ini-tiative Stolpersteine Steinfurt-Borghorst; Bild 3, 15: Werner Bülter; Übersetzung: Ludger Hiepel; Bild 4-6: Archiv des Heimatvereins Borghorst; Bild 7: Claude Heimann, Toronto; Bild 8: Beate Kater; Bild 9: Werner Bülter; Bild 10, 11, 12, 13, 14: Jupp Ernst; Bild 15: Werner Bülter; Bild 16, 17: Jupp Ernst
„Die Villa Heimann – ein verlorenes Denkmal“
Idee: Werner Bülter, in Zusammenarbeit mit Jupp Ernst, Alfred Flügemann sowie mit der Initiative Stolpersteine Steinfurt-Borghorst