Geschichte der jüdischen Schule & letzter Lehrer Burgsteinfurt
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Das Schulgebäude
1888
Das Schulgebäude auf dem Grundstück neben der Synagoge wurde im Spätsommer 1888 bezogen. Es bestand aus drei Stockwerken. Unten war lediglich ein großer Raum, das Schulzimmer. Im Obergeschoss befand sich die Lehrerwohnung mit fünf Räumen und darüber eine Dachkammer. Waschküche und Toilettenanlagen – Abort und Pissoir – waren außerhalb des Hauses installiert.
1893
Hermann Emanuel übernahm 1893 das Amt des Lehrers und Kantors. Anfangs unterrichtete er 40–50 Kinder. Doch nach der Jahrhundertwende schrumpfte die Gemeinde durch Abwanderung kontinuierlich und um 1930 besuchten nur noch sechs Kinder die Schule.
1932
1932 wurde Hermann Emanuel pensioniert. Zudem löste die Regierung die jüdische Elementarschule als öffentliche Schule auf, ließ sie jedoch als private Lehranstalt weiter zu. Bald sah sich die immer kleiner und ärmer werdende Gemeinde gezwungen, eine regelmäßige finanzielle Unterstützung beim NS-Staat zu beantragen.
„Die Eltern sämtlicher schulpflichtiger Kinder
sind auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhält-
nisse ausnahmslos nicht in der Lage, auch nur
geringe Beiträge an Schulgeld zu bezahlen.“
1938
Bürgermeister Schumann sprach sich für einen Zuschuss aus:
„Die Möglichkeit allein aber, daß die Juden ihre Schule auflösen könnten und dann die art- und rassefremden Kinder mit den deutschblütigen gemeinsam […] jahrelang in einem Raum zusammen sein müssten, erscheint mir ausreichend eine finanzielle Leistung zu rechtfertigen, durch die dann ein […] unerträglicher Zustand vermieden würde.“
Dennoch wurde der Antrag abgelehnt.
Im November 1938 zündeten Burgsteinfurter Bürger die Synagoge an. Sie brannte ab, das daneben liegende Schulgebäude wurde verwüstet. Die Schule wurde provisorisch instandgesetzt, denn nach der Verfügung des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15.11.1938 war Juden der Besuch deutscher Schulen nicht mehr gestattet.
1941
Lehrer Emanuel unterrichtete bis Mitte 1941 Schüler aus Burgsteinfurt und den umliegenden Orten. Als das Verbot erlassen wurde, jüdische Kinder zu unterrichten, wurde die Schule geschlossen. Den Synagogenplatz und das Schulgebäude kaufte die Stadt Burgsteinfurt.
1942
Im Juli 1942 wurden die letzten Burgsteinfurter Bürger jüdischen Glaubens – unter ihnen Hermann Emanuel – nach Theresienstadt deportiert.
Während große Teile der Altstadt im Krieg zerstört wurden, blieb das zum Mietshaus umgewandelte Schulgebäude nahezu unversehrt.
Burgsteinfurt war damit „judenfrei“.
Das Eigentum am Synagogenplatz und an der jüdischen Schule wurde nach dem Krieg im Rahmen der Wiedergutmachung zunächst an den Rechtsnachfolger der jüdischen Gemeinde Burgsteinfurt zurückübertragen. Die Stadt erwarb 1953 den Gesamtbesitz erneut.
Der Synagogenplatz wurde alsbald in eine Gedenkstätte umgewandelt und steht seit 1997 unter Denkmalschutz. Das Schulgebäude wird bis heute als Mietshaus genutzt. Im Februar 2015 wurde die ehemalige jüdische Schule in die Denkmalliste der Stadt Steinfurt eingetragen.
Hermann Emanuel
Der letzte Lehrer und Kantor der
jüdischen Gemeinde Burgsteinfurt
Hermann Emanuel war seit 1893 als Lehrer und Kantor der jüdischen Gemeinde Burgsteinfurt tätig. Er hatte seine Ausbildung in einem neo-orthodoxen Seminar in Köln absolviert und kam nun in eine Gemeinde, die eher liberal war. Etliche Gemeindemitglieder öffneten am Sabbat ihre Geschäfte und gingen ihren beruflichen Verpflichtungen nach. Sie verbrachten viel Zeit in der Burgsteinfurter Stadtgesellschaft und verhielten sich weitgehend angepasst. Sicherlich war diese Situation anfangs etwas schwierig für den konservativ geprägten Hermann Emanuel, doch mit Einfühlungsvermögen und Pragmatismus kam er allen Anforderungen nach und errang das Ansehen seiner Gemeinde und der Burgsteinfurter Bürger. Im Jahre 1909 richtete die Stadt eine kaufmännische Fortbildungsschule ein, an der Hermann Emanuel, nachdem er sich fachlich fortgebildet hatte, bis 1931 als Leiter und Lehrer arbeitete. Seine Tätigkeit als Kantor und Lehrer der jüdischen Schule behielt er bei.
Am 1. April 1932 wurde Hermann Emanuel auf Grund der Brüningschen „Notverordnungen“ vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Zum gleichen Zeitpunkt löste das Ministerium die jüdische Schule als öffentliche Schule auf, ließ sie jedoch als private Lehranstalt unter der Leitung von Hermann Emanuel zu. Am nächsten Tag veröffentlichte das Steinfurter Kreisblatt eine Würdigung seiner Arbeit:
„Ein verdienter Burgsteinfurter Schulmann ist in den Ruhestand getreten.“
1906 hatte er Henny Heimann, die Tochter eines Burgsteinfurter Kaufmanns, geheiratet und mit ihr eine Familie gegründet. Die Töchter Ruth und Renata wurden gut ausgebildet und legten an einem Gymnasium in Münster das Abitur ab. Ruth begann dort ein Studium und Renata absolvierte eine Ausbildung als Gärtnerin in Potsdam. Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sahen beide für sich keine Perspektive mehr in Deutschland und wanderten nach Palästina aus. Zudem verstarb 1937 die Ehefrau an Leberkrebs. Den Vorschlag seiner Tochter Renata, ebenfalls nach Palästina umzusiedeln, lehnte Hermann Emanuel ab, um bei seiner Gemeinde zu bleiben.
Den Ausschreitungen folgten zahlreiche Maßnahmen, die die Juden aus der Gesellschaft ausschlossen und jeglicher Existenzgrundlage beraubten. Sie waren
„ … entrechtet und verarmt, dezimiert und überaltert, von Familienangehörigen getrennt und vom Ausland abgeschnitten, zur Zwangsarbeit verpflichtet und in ‚Judenhäusern‘ zusammengepfercht, unterernährt und erschöpft, in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt und durch einen handtellergroßen Stern markiert.“
[Konrad Kwiet 1988]
Ab dem Dezember 1941 wurden die in Burgsteinfurt verbliebenen Juden nach und nach in die Konzentrationslager verschleppt. Mit dem dritten und letzten Transport wurde Hermann Emanuel am 27. Juli 1942 in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert. Hier starb er am 26. November 1942.
Idee u. Text: Irmgard Walbaum
Koordination: Nina Nolte
Fotos: Kiepker-Balzer, Günther Hilgemann, Nina Nolte, Andreas Wessendorf
Quellen: Stadtarchiv Steinfurt, Institut Theresienstätter Initiative
Grundlage der Texte waren Schriften von Willi Feld:
Willi Feld: „… daß die hiesigen Juden für Steinfurt wichtig sind” – Die Juden in der Geschichte der ehemaligen Stadt Burgsteinfurt – 2. überarbeitete Auflage, Berlin 2009.
Willi Feld: Lebensbilder – Die Juden in der ehemaligen Stadt Burgsteinfurt, Teil II, Münster 2004.