Jüdischer Friedhof und Synagogen

Nach Schändung des Friedhofs blieben
nur einige Grabsteine erhalten.

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Der jüdische Friedhof

Metalltor mit Davidsstern im oberen Drittel. Dahinter ein Weg, eine Hecke und hohe Bäume.
Eingangstor jüdischer Friedhof

Ein erster jüdischer Friedhof befand sich seit ca. 1600 außerhalb der Stadtmauer auf dem Wall. Der Weg dorthin hieß damals „Judenwall“. Ende des 18. Jahrhunderts schleiften die Telgter ihre Befestigungen. Da die Stadt es zuließ, dass von dem Wall Sand abgefahren wurde, klagte die jüdische Gemeinde gegen die Stadt wegen der damit verbundenen Störung der Totenruhe. Der Streit zog sich lange hin, bis um 1820 der neue jüdische Friedhof am Hagen angelegt wurde

Im Januar 1941
meldete der
Bürgermeister Telgte als „judenfrei“.

Schwarze Gedenktafel aus Glas mit heller Schrift, befestigt an einer hellen Steinmauer.
Gedenktafel am großen Emswehr

Am 9. Januar 1941 meldete der Bürgermeister Telgte als „judenfrei“. Die Stadt kaufte 1942 für 400 RM den Friedhof und ließ Grabsteine, Grabeinfassungen und die Friedhofsmauer abräumen, um mit dem Material Hochwasser­schäden am Emswehr auszubessern. Nur die Grabsteine der drei zuletzt Beerdigten wurden nach Ende des 2. Weltkriegs im Keller des abgebrannten Parteihauses wiedergefunden. An die Schändung der Grabstätten erinnert eine Gedenktafel am großen Emswehr.

Ein Stauwehr mit fließendem Wasser, unterhalb einer Brücke. Im Hintergrund eine Kirche.
Stauwehr, an dem Grabsteine verarbeitet sind
Ein Grabstein mit der Aufschrift „Leni Auerbach Geb. 17.4.1914, gest. 23.8.1932. Über dem Namen ein Davidsstern.
Grabsteine Moritz und
Leni Auerbach

1945 wurden die drei noch erhaltenen Grabsteine (von Leni Auerbach, verstorben 1932, von Max Auerbach, verstorben 1935, und von Moritz Auerbach, verstorben 1936) auf dem wiedererrichteten Friedhof neu aufgestellt. Max Auerbach wurde 1962 nach Münster umgebettet. Wer diese Grab­steine vor der Zerstörung bewahrt hat, ist nicht bekannt.

2005 hat der Verein „Erinnerung und Mahnung“ den Friedhof in der jetzigen Form neu gestaltet und der jüdischen Gemeinde Münster übergeben.
Auf einer Stele sind die Namen der hier Begrabenen in das Gedächtnis zurückgeholt worden.

Der Verein „Erinnerung und Mahnung“ hat den Friedhof neu gestaltet und der jüdischen Gemeinde Münster übergeben.

Gedenkplatte aus rotem Marmor mit der Aufschrift „Friedhof der Ehemaligen Jüdischen Gemeinde Telgte“ in Großbuchstaben.
Gedenkplatten am Friedhofstor
Spiegelnde Stele in schwarz mit Auflistung von Namen und Geburts- und Todesdaten in hell Schrift.
Stele mit den Namen aller auf dem Friedhof Begrabenen

Die Synagogen in Telgte

Zwischen Häuserwänden – ein Einzelner hatte Mut

Das Gebäude der „alten“ Telgter Synagoge befindet sich im Innenbereich eines Häuserkomplexes zwischen Stein- und Emsstraße. Gut 200 Jahre als Speicher genutzt, wurde das Gebäude um 1740 von seinen jüdischen Besitzern, die in den umliegenden Häusern wohnten, erweitert. Seither diente es als Synagoge und zeitweilig auch als Schule für die auf acht Familien angewachsene Gemeinde.

Hinterhof eines Gebäudes mit Blick auf eine Pflanze und ein Gebäude mit sichtbaren Holzbalken.
Blick auf das Speichergebäude, das bis
1875 als Synagoge genutzt wurde

Blick auf die Königstraße Telgte; über den Hausdächern der Turm der 1938 zerstörten Synagoge

Ansichtskarte mit einstöckigen Häusern an einer gepflasterten Straße. Oben die Überschrift „Telgte – König-Strasse“, daneben ist ein Turm zu erkennen.

Blick auf die Königstraße Telgte; über den Hausdächern der Turm der 1938 zerstörten Synagoge

Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Gemeinde ca. 80 Mitglieder. Nach langen Planungen wurde an der Königstraße eine neue Synagoge gebaut, die am 5.9.1875 eingeweiht wurde. In dieser Synagoge befand sich neben dem Betraum auch ein Schulraum, in dem von 1875 bis 1885 und von 1897 bis 1899 die jüdischen Kinder unterrichtet wurden.

Reliefbild einer Synagoge auf einer glatten Säule in dunklem Grau
Reliefbild der Synagoge (Ausschnitt eines Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus an der Königstraße am Standort der ehemaligen Synagoge)
Komplettes Mahnmal, der untere Teil ist rauer Stein, der obere geglättet und an der Spitze gebrochen
Schmale Gasse zwischen einer roten Backsteinmauer und einem Backsteingebäude.
Schild an einem weiß-verputzen Gebäude mit der Aufschrift „Judengängsken“.

Blick auf das „Juden­gängsken“, eine schmale Gasse, die zwischen Ritter- und Königstraße zur Synagoge führte

„Ich zerstöre keine Kirchen.“

Die Synagoge in Telgte wurde nicht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 (der Reichsprogromnacht) zerstört, sondern in der darauf folgenden Nacht.
Denn ein Einzelner hatte den Mut, sich einer Beteiligung an der Zerstörung der Synagoge zu widersetzen. Die SA befürchtete bei der engen Bebauung rund um die Synagoge einen Großbrand. Daher gab sie an den Leiter des RAD (Reichsarbeitsdienst) in Telgte, Oberstfeldmeister Robert Weber, den Befehl durch, mit seiner Abteilung, ausgerüstet mit Hacke und Spaten, die Telgter Synagoge abzubrechen.

„Hätten einige Hunderttausend in der NS-Zeit so gehandelt, wäre Deutschland viel erspart geblieben.“

Dieser weigerte sich, den Befehl auszuführen: „Ich zerstöre keine Kirchen.“ Robert Weber hat in seinem Tagebuch am Tag nach dem Brand der Synagoge vermerkt: „Synagoge zerstört. Am Nachmittag war ich kurz da. Halb Telgte am Tatort. Größte Kulturschande.“ Im Prozeß gegen die Brandstifter 1947 sagte der Vorsitzende Richter in öffentlicher Verhandlung: „Hätten einige Hunderttausend in der NS-Zeit so gehandelt, wäre Deutschland viel erspart geblieben.“

Vier messingfarbene Stolpersteine für Klara, Erich, Fanny und Kurt Auerbach im Kopfsteinpflaster eingelassen.

Verantwortlich für den Inhalt: Verein Erinnerung und Mahnung e.V., 48291 Telgte, www.erinnerung-und-mahnung.de; weitere Informationen: Gedenkbuch für die Telgter Opfer des Nationalsozialismus, Telgte 2017
Bildnachweise: Bild 9, Foto Königstraße: Stadtarchiv Telgte; übrige Fotos 1–8 und 10–15: Renate Becks, Telgte